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December 2017

Servoantriebe der Baureihe CanisDrive®

GeorgRinger\News\Domain\Model\FileReference:14465

"Das Bessere ist der Feind des Guten." Eines der zwei Lieblingszitate eines Professors für Leistungselektronik. Doch was hat dieser Bericht mit Leistungselektronik zu tun? Nichts. Aber er hat mit einem sehr guten Hohlwellenaktuator zu tun. Und mit einem noch besseren.

Die Harmonic Drive® Servoantriebe der Baureihe CHA sind bereits lange im Markt etabliert und können unsere Kunden in den unterschiedlichsten Anwendungen begeistern. Uns auf diesem Erfolg auszuruhen, kommt jedoch nicht in Frage, denn das ist wie das Schwimmen gegen den Strom: Wer aufhört zu schwimmen, treibt rückwärts. Unsere Zielsetzung war die Verbesserung der etablierten Baureihe, um noch gezielter auf die Belange und Anforderungen unserer Kunden eingehen zu können. Sozusagen eine Verbesserung von allen Seiten. Begonnen haben wir am Ende:

Das Herzstück, das Harmonic Drive® Wellgetriebe der Baureihe HFUC, wurde durch eine neu entwickelte, hochpräzise Unit der Baureihe CobaltLine® ersetzt. Die Units der Baureihe CobaltLine® bringen eine Steigerung des Spitzendrehmomentes um ca. 30 %, wobei der Bauraum sowie die hohe Lebensdauer unverändert bleiben."

Der Motor selbst, ein permanentmagneterregter Synchronmotor (PMSM), war von Anfang an auf die höhere Leistung ausgelegt. Die positiven Eigenschaften wie niedrige Drehmomentwelligkeit und daraus resultierend gutes Gleichlaufverhalten bleiben so erhalten.

Als weitere wichtige Großbaustelle konnte der Bereich Motorfeedback identifiziert werden – also die Messgeräte, die den Verdrehwinkel des Rotors messen und zum Zweck der Strom-, Drehzahl- und Lageregelung an den Antriebsregler melden. Servoantriebe der                           Harmonic Drive AG zeichnen sich an dieser Stelle dadurch aus, dass sie mit einer Vielzahl möglicher Antriebsregler von unterschiedlichsten Herstellern kompatibel sind.

Während sich die Kompatibilität natürlich auch im Motor selbst zeigt – genannt seien hier Schlagworte wie Induktivität, Spannungssteilheit, Schaltfrequenz – spielt hier das Motorfeedbacksystem eine herausragende Rolle. Die Schnittstelle zum Antriebsregler kann vielfältig ausfallen: analog, hybrid, digital, seriell oder parallel. Diese Auswahl gilt es zu treffen. Neben der Funktionalität spielt die jetzige Verbreitung am Markt eine ebenso große Rolle wie die erwartete zukünftige Verbreitung.

Bei der jetzigen Verbreitung haben die hybriden Schnittstellen – absolute serielle Information in Verbindung mit inkrementeller Information - noch die Nase vorn. Der zukünftige Trend geht eindeutig zu volldigitalen Schnittstellen. Ein weiterer Trend neigt dazu, die Anzahl der Adern, die für den Encoder benötigt werden, so lange zu reduzieren, bis diese im ohnehin benötigten Motorkabel mitgeführt werden können.

Welche Trends lassen sich noch erkennen? Die Bedeutung von und somit ebenfalls der Bedarf an reinen Inkrementalgebern sinkt stetig. Absolute Geber sind ein Muss, nur wenige Kunden kommen noch ohne Multiturnfunktionalität aus.

Neben den funktionalen Anforderungen kommen natürlich die Umweltbedingungen hinzu: Schock- und Vibrationsbeanspruchungen, die in Werkzeugmaschinen erheblich werden können. Umgebungstemperaturen, die häufig in einem Bereich von -40 °C bis über 100 °C liegen können. Warum so hoch? Weil der Encoder den Temperaturen im Motor ausgesetzt ist und diese einen Bereich von über 100 °C erreichen können.

Eine massive Auswirkung auf die Verfügbarkeit hat das Alleinstellungsmerkmal der Harmonic Drive® Aktuatoren: die große Hohlwelle. Die Anzahl der Encoder, die auf eine Hohlwelle mit 18 mm bis 78 mm Außendurchmesser montiert werden können, ist schon deutlich kleiner als die derjenigen, die für eine Wellenendmontage vorgesehen sind. Dies beschreibt die Ausgangslage.

Mit diesen Anforderungen sind wir auf diverse Hersteller von Motorfeedbacksystemen zugegangen. In unzähligen Runden wurden die Anforderungen verfeinert und mit den Möglichkeiten der Hersteller abgeglichen. Die ersten Vorserienmuster wurden getestet, überarbeitet, erneut getestet. Montageversuche wurden unternommen. Montage- und Prüfverfahren wurden festgelegt und beschrieben. Montage- und Prüfplätze wurden ausgearbeitet und aufgebaut. Das Ergebnis kann sich sehen lassen: Für alle Baugrößen der CanisDrive® Baureihe sind mehrere unterschiedliche Feedbacksysteme verfügbar.

Darunter sind optische, magnetoresistive, induktive und kapazitive Systeme. Jedes  System hat seine eigenen Stärken und Schwächen. So bieten optische Systeme eine hohe Genauigkeit. Insbesondere die differenzielle Präzision, welche maßgeblich die Drehzahlregelung beeinflusst, zeichnet sich bei besagten Systemen aus.  Die generelle Schutzart IP67 bei allen Servoantrieben der Baureihe CanisDrive® sorgt dafür, dass der generelle Nachteil einer erhöhten Anfälligkeit optischer Systeme für Verschmutzung nicht direkt zutage tritt.

Kapazitive Encoder lassen sich aufgrund ihrer holistischen Abtastung durch Exzentrizitäten der Motorwelle nur wenig beeinflussen. Auch eine Beeinflussung durch magnetische Streufelder, die in Motoren, gerade solchen mit magnetischer Bremse, häufig vorkommen, ist durch das Funktionsprinzip nahezu ausgeschlossen.

Das Wirkprinzip induktiver Geber ist ähnlich dem des Resolvers: Ein hochfrequentes magnetisches Feld induziert Ströme auf dem Rotor, die wiederum im Stator Spannungen induzieren. So wird gewissermaßen die Gegeninduktivität ausgewertet. Anders als bei Resolvern ist natürlich die gesamte Elektronik, die dazu benötigt wird, im Encoder integriert.

Bei magnetoresistiven Encodern ändert sich der Widerstand des Sensorelements im magnetischen Feld. Solche Encoder sind im Allgemeinen mit passiver Maßverkörperung aufgebaut, das heißt, die Maßverkörperung moduliert durch ihre mechanische Struktur das Feld eines Stützmagneten. Bei magnetoresisitven Encodern muss großes Augenmerk darauf gelegt werden, Einflüsse durch magnetische Streufelder zu vermeiden.

Alle genannten Wirkprinzipien ermöglichen es, sogenannte Singleturngeber aufzubauen, also Motorfeedbacksysteme, die innerhalb einer Umdrehung absolut messen. Wie kann nun aber der Kundenwunsch nach einem Multiturnsystem erfüllt werden? Prinzipiell gibt es zwei unterschiedliche Möglichkeiten: Zum einen kann die Umdrehung der Motorwelle über ein mechanisches Getriebe in mehreren Stufen geteilt werden. Der Verdrehwinkel der nachgeschalteten Zahnradstufen wird gemessen und auf die Motorwelle zurückgerechnet, sodass mehrere Motorwellenumdrehungen unterscheidbar sind. Die Schwierigkeit, ein solches System an einen Hohlwellenmotor zu adaptieren, liegt darin, dass die erste Stufe zwangsläufig ins Schnelle übersetzen muss, wenn der Bauraum nicht unrealistisch groß werden soll. Sowohl Material als auch Lagerung dieser Zahnradstufe sind anspruchsvoll.

Alternativ zur Nutzung eines Getriebes können die Umdrehungen der Motorwelle einfach gezählt werden. Das funktioniert problemlos, solange der Encoder mit Strom versorgt wird. Aber was, wenn der Strom abgeschaltet werden muss? Energy Harvesting und Wiegand-Draht kommen einem schnell in den Sinn, doch serienreife Geräte zur Nutzung mit Hohlwelle sind derzeit noch nicht vefügbar. In diesem Fall kann eine Batterie eingesetzt werden. Moderne Lithium-Thionylchlorid-Batterien bieten einen weiten Temperaturbereich und Kapazitäten, die eine lange Lebensdauer gewährleisten. Ein Memory-Effekt oder ähnliche Probleme treten bei diesen Primärbatterien nicht auf.

Natürlich muss dem Kunden in einem solchen Fall auch die zugehörige Peripherie zur Verfügung gestellt werden, zum Beispiel eine Batteriebox, die im Schaltschrank montiert werden kann und den Zusatzaufwand zur Verkabelung der Batterie auf ein Minimum reduziert. Die Unterbringung im Schaltschrank gewährleistet dabei eine hohe Servicefreundlichkeit. Wenn zusätzlich der Ladezustand der Batterie überwacht wird, kann der Kunde den Wechsel der Batterie vorausschauend mit einplanen und Produktionsausfälle vermeiden.

Mit EnDat®, SSI (mit oder ohne Sinus-/Kosinusspur) und HIPERFACE® sind die wichtigsten Motorfeedbackschnittstellen verfügbar – eine Kompatibilität zu den meisten in Europa üblichen Regelgeräten ist damit sichergestellt. Eine Erweiterung des Schnittstellenportfolios ist je nach Aufwand und zu erwartender Stückzahl möglich.

Ein ganz besonderes Highlight bieten darüber hinaus die beiden größten Baugrößen der Servoantriebe CanisDrive® – 50 und 58. Bei deren Vorgängern war der Durchmesser der Hohlwelle bisher begrenzt durch den Durchmesser der vorhandenen Motorfeedbacksysteme. Diese Grenze konnte durchbrochen werden. Die neuen Servoantriebe der Baureihe CanisDrive® können den maximalen Hohlwellendurchmesser nutzen, den die neuen Units der Baureihe CobaltLine® bieten. Dazu wurden auch neue Motoren entwickelt. Mit neuer Fertigungstechnologie für Stator und Rotor konnte die Leistungsdichte deutlich erhöht werden. Diese macht sich hauptsächlich in einer Steigerung der zulässigen Dauerlast bemerkbar.

Bezugnehmend auf den ersten Leitsatz dieses Artikels stellt sich die Frage: Hat der Servoantrieb der Baureihe CanisDrive®, als der Bessere, den Servoantrieb der Baureihe CHA, als den Guten, besiegt? Direkt vom Markt verschwinden wird die Baureihe CHA nicht. Da die Kundenschnittstelle mechanisch unverändert bleibt, kann der Kunde jedoch sofort auf das neue leistungsfähigere Produkt umstellen. Und dann wird der Bessere siegen.