Zurück zur Übersicht
December 2019

Exoskelette als Wegweiser für Medizin und Gesellschaft

GeorgRinger\News\Domain\Model\FileReference:24688

Exoskelette: Sie zählen trotz des frühen Stadiums ihrer Entwicklung zu den richtungsweisenden Errungenschaften aus Technik und Mechatronik, faszinieren Menschen in aller Welt und sind von gesamtgesellschaftlicher Bedeutung. Eine vielversprechende und zukunftsweisende Rolle wird dem Exoskelett vor allem im medizinischen Bereich zugesprochen. Bekannt sind Exoskelette vor allem als Stützstrukturen für querschnittsgelähmte Personen. Diesen ermöglichen sie einen aufrechten Gang und alle damit verbundenen Vorteile wie wiedererlangte Unabhängigkeit, Kommunikation auf Augenhöhe und vor allem eine bessere Blutzirkulation bzw. verbesserte Durchblutung der Beine. Hier kommen die körperlich schützenden als auch unterstützenden Eigenschaften und Funktionen der Stützstruktur in ihrer Grundform zum Tragen – sie helfen beeinträchtigten Menschen dabei, alltägliche Bewegungen auszuführen, Bewegungsfreiheiten wiederzuerlangen und existenzielle Bedürfnisse zu erfüllen. Das Exoskelett basiert angesichts seiner Kerneigenschaft auf Orthesen, welche im medizinischen Umfeld bereits seit langer Zeit zur Stabilisation und Entlastung bestimmter Körperregionen eingesetzt werden. Doch durch den Entwicklungsfortschritt von Robotik und Sensorik werden stetig weitere neue Modelle entwickelt, sodass das Anwendungsspektrum des Exoskeletts heute weit über den medizinischen Bereich hinausreicht.

Grundsätzlich lassen sich Exoskelette hinsichtlich ihres Aufbaus in die Gruppe der passiven und aktiven Stützstrukturen einteilen. Passive Exoskelette unterstützen den tragenden Körper lediglich mittels mechanischer Komponenten wie Federn, Dämpfern oder Gewichten – sie verfügen über keinen aktiv gesteuerten Antrieb. Entstehende Belastungen werden von der Stützstruktur aufgenommen und abgestützt. Aktive Exoskelette hingegen verfügen neben mechanischen Elementen über weitere aktive Antriebskomponenten, die zusätzlich zur Minderung der Belastung für den Menschen beitragen. Genutzt werden in diesem Zusammenhang vorrangig kurz- und leichtbauende Wellgetriebe der Harmonic Drive AG der Baureihen CSD und SHD in Kombination mit sehr kompakten Elektromotoren. Je nach Modell sind Sensoren verbaut, um die Lage der Gelenke aufzunehmen. Zusätzlich können auch Sensoren eingesetzt werden, um Informationen über Muskelanspannungen zu detektieren. Das Know-how der Hersteller von Exoskeletten liegt in der Verarbeitung dieser Information und der Erzeugung flüssiger Bewegungsabläufe.

Die Bedeutung des Exoskeletts wird insbesondere bei Betrachtung der Gesellschaftsentwicklung deutlich. Steigende Lebenserwartungen und der demographische Wandel stellen bereits heute einige Herausforderungen an Medizin, Wirtschaft und Wissenschaft. Der Medizin wird an dieser Stelle eine ganz besondere Rolle zukommen, denn auch im Alter soll kein Mensch auf seine grundlegenden Bewegungsfreiheiten und Mobilität verzichten müssen. Der innovative Fortschritt der Exoskelett-Technik steht demnach nicht ausschließlich vor einem medizinischen, sondern ebenso vor einem gesamtgesellschaftlichen Hintergrund.

Project MARCH

Menschen mit einer Querschnittslähmung Mobilität zurückgeben und durch technologischen Fortschritt zu einer erhöhten Lebensqualität beitragen, ist auch das erklärte Ziel des Project MARCH an der Delft University of Technology, Niederlande. Die Herausforderung: Entwurf und Bau eines Exoskeletts. Jedes Jahr wird ein neues 25-köpfiges Studenten-Team aufgefordert, den bestehenden Prototypen zu verbessern. Hierzu unterbrechen Studenten aus verschiedenen Studiengängen wie beispielsweise Maschinenbau, Elektrotechnik und Industriedesign freiwillig ihr Studium für ein Jahr, um das Exoskelett des Vorjahres-Teams weiterzuentwickeln und zu verbessern. In enger Zusammenarbeit mit einem Piloten, einer vollständig querschnittsgelähmten Person, und den Therapeuten der Sint Maartens Klinik wird das bestehende Exoskelett des Vorjahres-Teams auf den Prüfstand gestellt und unter echten Bedingungen weiterentwickelt.

Der CYBATHLON

Das Ziel: der CYBATHLON in Zürich. Der CYBATHLON ist ein einzigartiger Wettkampf, welcher alle vier Jahre in Zürich stattfindet, bei dem sich Menschen mit Behinderungen beim Absolvieren alltagsrelevanter Aufgaben mittels modernster technischer Assistenzsysteme messen. Kommerzielle und akademische Teams konkurrieren mit ihren selbst entwickelten Exoskeletten, um die Hindernisse des Wettbewerbs so schnell wie möglich zu absolvieren. Die Hindernisse sind den Herausforderungen des alltäglichen Lebens nachempfunden. Aufstehen aus einem tiefen Sofa, eine Schräge hinauf und hinunter gehen, über unwegsames Gelände laufen, Treppensteigen sowie das Öffnen und Schließen von Türen, stellt für Menschen ohne Beeinträchtigung keinerlei Schwierigkeiten dar. Beim CYBATHLON müssen genau diese Aufgaben von einer querschnittsgelähmten Person mit Hilfe eines Exoskeletts absolviert werden.

Harmonischer Antrieb

„Eine möglichst natürliche Bewegung nachahmen, darum geht es beim Project MARCH. Wenn das Gehsignal die Motoren erreicht, beginnen sie zu laufen. Dies geschieht bei 3000 Runden pro Minute. Deutlich zu viel für den Piloten im Exoskelett. Deshalb wurden für die Gelenke Getriebe benötigt, die als Übertragungsmechanismus eingesetzt werden können. So können wir sicherstellen, dass die Drehzahl des laufenden Motors in die richtige Laufgeschwindigkeit übersetzt wird. Dabei muss die Konstruktion des Exoskeletts natürlich kompakt und leichtbauend bleiben“, so Tim Schmidt, Vertriebsingenieur Sonderumgebungen. „Nach einigen Gesprächen zu den Anforderungen an unsere Getriebe entschieden wir uns für einen Einbausatz der Baureihe CSD, der sich durch eine besonders kurze Baulänge und geringes Gewicht auszeichnet und somit optimal für das Exoskelett geeignet ist.“

Um die Gelenkwinkel und die Kommutierung des Motors auszulesen, wird je ein Absolutwertgeber motorseitig sowie am Getriebeabtrieb verwendet. Präzision ist hierbei der Schlüssel, denn bereits ein geringfügiger Versatz der Encoderkomponenten führt zu einem fehlerhaften Signal. Gleiches gilt für den Harmonic Drive® Einbausatz. Zum Ausgleich von Achsversatzfehlern werden Getriebe der Harmonic Drive AG standardmäßig mit einer Oldham-Kupplung am Getriebeeingang geliefert. Aufgrund des beengten Bauraums war die Verwendung einer Oldham-Kupplung nicht möglich. Dadurch musste während der Entwicklung und Konstruktion auf eine genaue Ausrichtung von Motor zu Getriebe geachtet werden.

Die Harmonic Drive® Einbausätze der Baureihe CSD sind erhältlich in sieben Baugrößen mit den Untersetzungen 50, 100 und 160 bei einem wiederholbaren Spitzendrehmoment zwischen 12 und 823 Nm und einer Drehmomentdichte von 230 bis 512 Nm/kg. Die Einbausätze der Baureihe CSD können auf unterschiedlichste Anwendungen angepasst werden und sind aufgrund der Beschränkung auf drei Bauteile sehr robust. Darüber hinaus überzeugen sie durch ihre besonders kurze Baulänge. Des Weiteren wird aufgrund der Spielfreiheit und der hohen Übertragungsgenauigkeit ein exzellenter Geschwindigkeitsgleichlauf erreicht.