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July 2019

Im Bereich des Additive Manufacturing ist weniger die Bewegungsdynamik als vielmehr die Antriebspräzision gefragt

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Im Interview erklärt Annika Mehl, Business Development, worauf es bei Antriebstechnik für Additive Manufacturing-Anlagen ankommt, wie sie das Marktpotential einschätzt und wie sie sich typische Additive Manufacturing-Prozessketten im Jahr 2030 vorstellt.

Können Sie uns die Harmonic Drive AG bitte kurz vorstellen?

Annika Mehl: Gern. Wir haben unseren Stammsitz in Limburg an der Lahn, weltweit über 20 Standorte, an denen insgesamt rund 450 Mitarbeiter beschäftigt sind. Seit ihrer Gründung im Jahr 1970 hat sich die Harmonic Drive AG von einer kleinen Vertriebsgesellschaft zu einem international führenden Lösungsanbieter von Antriebstechnik entwickelt, die wir längst nicht mehr nur vertreiben, sondern auch entwickeln und produzieren. Unsere Muttergesellschaft hat ihren Sitz in Japan und wir haben ein Schwesterunternehmen in den USA. Insgesamt umfasst unsere Produktpalette mehr als 23.000 Artikel. Wir sind der Überzeugung, dass erfolgreiche Innovationen nicht für den Markt gemacht werden, sondern im Markt entstehen. Das heißt, wir streben mit unseren Kunden stets eine Zusammenarbeit auf Augenhöhe ab, um Lösungen zu entwickeln, die Ihrem Bedarf optimal entsprechen.

Sind Sie im Additive Manufacturing (AM) als Anwender oder als Zulieferer aktiv?

Mehl: Sowohl als auch. Nachdem wir uns der Arbeitsgemeinschaft Additive Manufacturing im VDMA angeschlossen haben, haben wir schnell erkannt, welche Möglichkeiten sich uns auch als Anwender bieten. Wir setzen eine erste AM-Anlage im Prototypenbau mit Kunststoffen ein, die sich bestens bewährt. Daher planen wir eine weitere Anlage zum 3D-Druck von Metallen anzuschaffen. Vor allem sind wir aber Zulieferer von hochgenauen Antrieben für AM-Anlagen. Mit unserem modularen CanisDrive®-L, der optional mit Kugelgewindespindel und Faltenbalg zum Schutz vor Pulverkontamination erhältlich ist, sind Linear-Achsen realisierbar, die höchste Positioniergenauigkeit bei kleinen Schrittweiten gewährleisten. Damit ist er als Antriebssystem für die Z-Achse pulverbettbasierter Anlagen prädestiniert – und ist in AM-Anlagen verschiedener Hersteller im Einsatz. 

Worauf kommt es bei Servoantrieben für AM-Anlagen an?

Mehl: Im industriellen Umfeld kommen heute hochentwickelte und hochpräzise Maschinen zum Einsatz, die mit 3D-Druckern für den Hobbykeller nur noch wenig zu tun haben. Besonders die pulverbasierten Metall-Fertigungsverfahren setzen hochpräzise Bewegungen auf den einzelnen Achsen und sehr hoher Positioniergenauigkeit voraus. Dabei ist anders als bei konventionellen Werkzeugmaschinen weniger die Bewegungsdynamik gefragt, als vielmehr die Präzision. Hier bietet die Harmonic Drive AG mit rotatorischen und linearen Antriebssystemen die passenden Lösungen. Unsere spielfreien, hochgenauen Getriebe in Kombination mit präzisen Lagerungen ermöglichen Herstellern von AM-Anlagen den Aufbau sehr kompakter Drehachsen.

Wie stellen Sie sich die typische AM-Prozesskette im Jahr 2030 vor?

Mehl: Vollautomatisiert! Das beginnt beim Pulverhandling, geht im Bauprozess weiter, und auch das Auspacken, die Wärmebehandlung und Nachbearbeitung werden bis dahin von Robotern, Cobots und Automaten erledigt. Begleitet wird diese Prozesskette von ebenfalls automatisierten mobilen Transportsystemen. Industrie 4.0 Standards sorgen dafür, dass die eingesetzte Hard- und Software problemlos interagieren können.

Welche Marktperspektiven sehen Sie angesichts der rasch fortschreitenden Automation im Additive Manufacturing?

Mehl: Gerade in der Luft- und Raumfahrt oder in Sonderumgebungen wie dem Offshorebereich, sind Gewichtsreduktion und die unkomplizierte Fertigung von komplexen Konturen ab Losgröße 1 wichtige Themen. Damit auch andere Branchen das Potential industrieller 3D-Druckprozesse ausschöpfen können, ist Automatisierung gefragt. Je schneller sie gelingt, desto besser. Denn eine kostengünstige, schnelle Fertigung bei kleinen Stückzahlen kann enorme Innovationskraft entfalten. Als Zulieferer von Antrieben, die in der Robotik und Automatisierungsbranche etabliert sind, sehen wir die anstehende Weiterentwicklung der jungen Branche als Chance. Es gilt, AM-Anlagen in die bestehenden Prozessketten der Unternehmen zu integrieren. Und dabei können unsere Antriebslösungen ganz sicher helfen. Allerdings ist der Aspekt der Standardisierung und Zertifizierung bei Alledem von großer Bedeutung.

Abschlussfrage: Mit welchen Zielen haben Sie sich der Arbeitsgemeinschaft Additive Manufacturing im VDMA angeschlossen?

Mehl: Durch die Arbeitsgemeinschaft lernen wir die Hersteller sowie die aktuellen Materialen und Anforderungen kennen. Wichtig ist es, sich auf allen Ebenen zu vernetzen, nur so kann man up-to-date bleiben. Und die Fragen rund um die Standardisierung und Zertifizierung sind auch nur gemeinsam lösbar.